Am 13.03.1889 beauftragte die Oberpostdirektion der Deutschen Reichspost in Minden den damaligen Postdirektor Kuhlo in Lemgo, in Lieme eine neue Postagentur einzurichten:


„Das Kaiserliche Postamt (in Lemgo) wird beauftragt, alsbald (in Lieme) eine zur Übernahme der Postagentur geeignete Person in gesicherter Lebensstellung zu ermitteln, welche die erforderlichen Fähigkeiten besitzt und der Allgemeinen Achtung sich erfreut, sowie in der Lage ist, die erforderlichen Räume herzugeben sowie die Ortsbestellung auszuführen und die Amtskaution von 200 Mark zu stellen“.

Eine geeignete Person für das Amt fand man in dem Gastwirt und Bäckermeister Ernst Steinmeier, der damals eine Gastwirtschaft mit Kolonialwarenhandel und Bäckerei in Lieme Nr. 17 (heute Bielefelder Str. 157) betrieb. Mit einem Jahresgehalt von 240 Mark sollte er als „Posthülfsstelleninhaber“ angestellt werden.

Am 01.04.1889 nahm die Posthilfsstelle in Lieme ihren Betrieb in den Räumen der Gastwirtschaft Steinmeier auf und erhielt ein Jahr später außerdem eine „Telegraphenanstalt mit Fernsprechbetrieb“.

Als Ernst Steinmeier sein Amt als Postagent 1893 wieder aufgab, ernannte man den Kaufmann und Gastwirt Hermann Steinmeyer zum neuen Postagenten, der die Postagentur in den von ihm betriebenen Liemer Krug verlegte. Die bisherige Posthilfsstelle wurde in eine „Postagentur mit Vollbetrieb“ umgewandelt.

Die Postagentur Lieme wurde bis 1920 vom „fahrenden Landbriefträger“ des Postamtes Lage, der sogenannten Pferdepost beliefert, welche täglich die 13,4 km lange Route Lage- Heiden- Lieme fuhr, dann eine Stunde im Liemer Krug ausspannte und die abgehende Post dann auf dem gleichen Weg zurückbeförderte.


Als die Pferdepost 1920 eingestellt wurde, mussten die beiden Liemer Briefboten das Postgut zweimal zu Fuß mit dem Handkarren vom und zum Bahnhof Hörstmar befördern.

Als die Postagentur in Lieme 1921 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse erstmals seit ihrem Bestehen ein Defizit erwirtschaftete, wollte die Oberpostdirektion (OPD) in Minden das Personal der Agentur Lieme um einen Briefboten verringern. Gegen diese Pläne wandte man sich entschieden, doch die OPD verfügte zum 01.01.1923 die Überführung des Wohnplatzes Papenhausen aus dem Landesbestellbezirk des Postamtes Schötmar in den Landesbestellbezirk Lieme.

Revierförster Brokmeier, seinerzeit Vorsteher der Gemeinde Papenhausen wandte sich dagegen und beantragte, Papenhausen weiterhin vom Postamt Schötmar versorgen zu lassen, da die Neuordnung zu einer verspäteten Postzustellung in Papenhausen führen werde.

Die OPD antwortete darauf:


„Unter dem harten Zwange der wirtschaftlichen Notlage des Reiches haben die Verkehrseinrichtungen der Post ebenso wie in den Städten auch auf dem Lande, wo die Postversorgung schon vor dem Kriege bedeutende Zuschüsse erfordert hat, erheblich eingeschränkt werden müssen. Eine wesentliche Ersparnis ist unter anderem durch die vom Reichspostministerium ausdrücklich angeordnete vorteilhaftere Abgrenzung benachbarter Postanstalten erreicht worden. Zu diesem Zwecke hat die OPD unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände auch den Ort Papenhausen von Schötmar abgezweigt und dem Landbezirk Lieme zugeordnet. Infolge dieser Maßnahme ist in Schötmar in Verbindung mit der Aufhebung der Botenpost eine volle Kraft im unteren Dienst entbehrlich geworden.


Von dieser Ersparnis entfallen 5/8 auf die veränderte Landbestellung.


… Hiernach ist die OPD zur Zeit nicht in der Lage, Ihrem Antrag zu entsprechen“.

Diese Neuordnung brachte für die beiden Liemer Briefboten, die den Bestelldienst mit dem Fahrrad ausführten, große Belastungen mit sich, wie die folgende Darstellung verdeutlichen soll:

Bezirk I Bezirk II
Ortsbestellung Lieme Fahrten zum Bahnhof Hörstmar
Landbestellung Lückhausen Landbestellung Liemerheide
Hengstheide Rhiene
Büllinghausen Papenhausen
Büllinghauserheide Wittighöferheide
Liemergrund
Liemerweg

Fahrten zum Bahnhof Hörstmar am Morgen
und am Mittag

dazu an jedem zweiten Sonntag eine
Bahnhofsbeförderung


Wer sich hier auskennt, weiß, dass der Bestellbezirk II bis zum Hohenkamp auf dem Mönkeberg in der Gemarkung Papenhausen reichte und der betreffende Briefbote bei einer Bestellung dieses Wohnplatzes von Lieme aus bei Wind und Wetter einen Höhenunterschied von 100 m zu bewältigen hatte.

Trotzdem überlegte die OPD weiterhin, einen Briefboten aus Lieme abzuziehen und so entschlossen sich die Liemer Bürger Anfang des Jahres 1924 zu einer finanziellen Unterstützungsaktion für den Erhalt der beiden Briefbotenstellen bei der Postagentur Lieme. Diese hatte jedoch schon im Dezember dieses Jahres ein überraschendes Ende, als in der Tagespresse verlautet wurde, dass die deutsche Reichspost voraussichtlich einen Überschuss von 50 Millionen RM erzielen werde. Unter diesen Umständen waren die Liemer Bürger natürlich nicht mehr bereit, weitere Beiträge zum Erhalt der örtlichen Postagentur zu leisten.

Das Postamt Lage berichtete darüber der OPD Minden:

„Nachdem vor einiger Zeit die Presse den 50- Millionen- Überschuss der Deutschen Reichspost bekannt gemacht hat, begegnet die Einziehung der Teilbeträge von den Interessenten größten Schwierigkeiten. Es hat sich neuerdings ein großer Sturm der Entrüstung erhoben, weil bekannt geworden ist, dass bei anderen Verkehrsanstalten mit dieser „Sonderbesteuerung“ der Landbewohner Schluss gemacht ist und dass der Zuschuss (in Lieme) in stärkerem Maße in Anspruch genommen wurde als bei anderen Landgemeinden. Beides trifft zu: Die Zuschüsse der Landgemeinden der Nachbarpostanstalten sind weit niedriger gehalten, und die Landzustellung des an Lieme angrenzenden Postamtes Lemgo erfolgt seit dem 1. Dezember ohne Kosten wie in der Vorkriegszeit. Die planmäßigen Einnahmen der Postagentur Lieme haben sich seit Januar dauernd erhöht. … Es ist daher die Ehrenpflicht der Deutschen Reichspost, Geldopfer von den Interessenten nicht mehr zu verlangen. Gez. Ludolph“.

Darauf hin verfügte die OPD: „Vom 1. Januar 1925 werden die gesamten Kosten der Landzustellung bei der Postagentur Lieme wieder auf die Postkasse übernommen“.

Bis zu seinem Tod im Jahr 1932 blieb Hermann Steinmeyer das Amt des Posthalters. Dann folgte ihm sein Sohn Wilhelm Steinmeyer. Als dieser 1971 in den Ruhestand trat, wurde der Postschaffner Kurt Kandale sein Nachfolger, in dessen Haus in der Dorfstr. 6 die Poststelle nach dem Amtswechsel verlegt wurde.

Im Rahmen der Neuordnung des Postwesens in Lippe 1969 verlor die Poststelle Lieme ihre Selbständigkeit und wurde als Nebenstelle in den Bezirk des Postamtes Lemgo eingegliedert.

Mit Errichtung des Industriegebiets Lieme erhöhte sich das Postaufkommen derart, dass die Räumlichkeiten im Haus Kandale nicht mehr ausreichten. Insbesondere fehlte es an einer Postfachanlage für die örtlichen Industrie- und Gewerbebetriebe sowie einer Paketannahmestelle. 1984 eröffnete die Bundespost daraufhin ihre neuen Diensträume im Haus Klein, Dorfstr. 41a.

(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)