Wie viele der lippischen Kriegervereine entstand der Kriegerverein am 28.12.1874 in der nationalen Hochstimmung der Zeit nach dem gewonnenen deutsch- französischen Kriege (1870/ 71) und der Reichsgründung als reiner Veteranenverein. Mitglied werden konnten zunächst nur Teilnehmer der Kriege von 1864, 1866 und 1870/ 71.

Bis zum Jahre 1895 bestand der Vorstand des Kriegervereins Lieme aus einem Präsidenten, Vizeprä-sidenten, Sekretär und Rendanten, die später die Amtsbezeichnungen 1. und 2. Vorsitzender, Schrift-führer und Kassierer führten. Des weiteren wurden Fahnenträger, Fahnenoffiziere und ein Vereinsbote gewählt.

Der Kriegerverein verstand sich als national- konservative, monarchistische Organisation, die die „Lie-be und Treue zu Kaiser und Reich, Landesfürst und Vaterland“ pflegen und die Kameradschaft unter ihren Mitgliedern fördern wollte. Er unterstütze seine Mitglieder außerdem bei längerer, unverschulde-ter Krankheit und zahlte im Sterbefall eine kleine Beihilfe.


Am 01.01.1890 trat der Verein dem Lippischen Kriegerbund bei.

Der Veranstaltungskalender des Kriegervereins sah neben dem jährlichen Stiftungsfest und einem Preisschießen auch vaterländische Feste, wie den jeweiligen Kaisergeburtstag und das Sedanfest (2. Sept.) vor, letzteres als Erinnerung an die Schlacht bei Sedan (1870), in der die deutschen Truppen das französische Heer besiegten und Kaiser Napoleon III. gefangennahmen.

Feste Bestandteile der Vereinsfeste waren Festmärsche, Paraden, Empfänge der Gastvereine an den Dorfeingängen und Böller. Verstorbene Mitglieder wurden mit Ehrensalut zur letzten Ruhe geleitet. Bis zum Neubau des Saales im „Liemer Krug“ wurden alle Veranstaltungen mit Konzert oder Tanz in Festzelten oder Scheunen gefeiert. Zur Gestaltung solcher Feste unterhielt der Kriegerverein ab etwa 1890 einen eigenen Spielmannszug und in den Jahren 1895 – 1904 den Krieger- Gesangsverein Lie-me.

Gerade wegen seiner Grundeinstellung war es nicht verwunderlich, dass sich der Kriegerverein Lieme im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts entschieden gegen alle sozialdemokratischen Bestrebun-gen wandte, die sich nach Aufhebung der Sozialistengesetze (1890) auch in Lippe ausbreiteten. Das zeigt ein Protokollauszug über die Mitgliederversammlung vom 05.03.1892, in dem es (gekürzt) heißt:

„3tens wurden vom Kameraden G. Brand mehrere Anträge (gestellt),

Antrag I:


In dem Vereinslokale (des Kriegervereins Lieme) dürfen (Versammlungen), welche irgendeinen sozi-aldemokratischen Charakter tragen, nicht stattfinden. … Dieser Paragraph ist in die ersten neuen Sta-tuten einzutragen.

Antrag II:


Mitglieder des Kriegervereins (Lieme) dürfen in einer sozialdemokratischen Versammlung nicht direkt aktiv mitwirken, als Vorsitzende, Schriftführer usw. Dagegen steht es jedem Mitgliede frei, einer jeden sozialistischen Agitation durch Worte oder Widerlegung entgegenzutreten.

Mitglieder, welche gegen Antrag II verstoßen oder denen sozialdemokratische Agitation nachgewie-sen werden kann, müssen durch Beschluss unserer Generalversammlung aus dem Verein ausge-schieden werden.“

Diese beiden Anträge sollten auf Wunsch des Antragstellers sofort in die Vereinsstatuten aufgenom-men werden. Dies war jedoch nicht möglich, da die Versammlung die angekündigte neue „Landesherrliche Verordnung, die Kriegervereine Lippe betreffend“ abwarten und erst dann die Vereinsstatuten ändern wollte. Außerdem regte sich unter den Mitgliedern Widerstand gegen diese rigiden Bestimmungen.

Die neue „Landesherrliche Verordnung, die Kriegervereine betreffend“ vom 04.06.1892 war in ihren einschlägigen Bestimmungen sehr viel gemäßigter als die Anträge in der Versammlung des Liemer Kriegsvereins vom 05.03.1892. Sie bestimmte:

Vereine ehemaliger Soldaten, welche

1. ihren verstorbenen Mitgliedern bei dem Begräbnis militärische Ehrenbezeugungen erweisen,

2. eine Fahne führen,

3. bei besonderen Anlässen und Festlichkeiten Waffen und Uniform tragen und auch das Vor-recht, bei militärischen Paraden sich aufstellen zu dürfen, erlangen wollen (§ 1).

Mussten vor einer Genehmigung vier Voraussetzungen erfüllen (§ 3):

a) als Vereinszweck auch die Pflege, Betätigung und Förderung der Liebe und Treue zu Kaiser und Reich, Landesfürst und Vaterland bezeichnen,


b) die Erörterung politischer und religiöser Gegenstände ausschließen,


c) es ermöglichen, Mitglieder auszuschließen, deren Verhalten mit dem Zweck der Vereine in Wi-derspruch tritt, insbesondere solche Mitglieder, welche der Anforderung patriotischer Gesinnung nicht entsprechen,


d) den Beitritt zum Lippischen Kriegerbunde zur Voraussetzung haben.

Besonders die Bestimmung des § 3b), der die Erörterung politischer und religiöser Themen in den Kriegsvereinen ausschloss, wurde von der Liemer Vereinsführung als unvertretbar angesehen. Man hoffte, dass der Lippische Kriegerbund eine Korrektur dieser Bestimmung durch den Landesherrn er-reichen werde. Diese „Verbesserung“ blieb jedoch aus und so wurde die landesherrliche Mustersat-zung nach einigem Hin und Her als Vereinssatzung übernommen und am 01.05.1893 in Kraft gesetzt.

Dies trug unter anderem dazu bei, dass sich der Zieglerverein in Lieme als liberales Gegenstück des Kriegervereins etablieren konnte und entsprechend viel Zulauf hatte. Seither bestand ein gespanntes Verhältnis zwischen den beiden Vereinen, wie der folgende Beschluss der Mitgliederversammlung des Kriegervereins vom 31.10.1904 deutlich zeigt: „Die Einladungen des Zieglervereins Lieme zur Fah-nenweihe am 21.01 des kommenden Jahres (1905) wurde angenommen; es wurde aber dabei her-vorgehoben, dass fernerhin gegenseitige Einladungen ausgeschlossen sein sollen.“

Aus der Reihe der Veranstaltungen, die der Kriegerverein in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg durchführte, ragen zwei besonders heraus: Die Pflanzung der Friedenseiche im Jahre 1895 und das Lippische Krieger- Bundesfest von 1902. zum erstgenannten Ereignis heißt es im Protokoll: „Am Sonnabend (dem 30.03.1895) soll vor dem Hof Führing auf dem Gemeindeplatz eine Friedenseiche gepflanzt werden. Sie soll am Sonntag (um) 4 Uhr in Anwesenheit aller Vereine (des Dorfes) geweiht werden. Unter dem Baum soll eine Urkunde und eine Mitgliederliste eingegraben werden.“

Die damals gepflanzte, nunmehr über 100 Jahre alte Friedenseiche war in späteren Jahren vielfach Zielpunkt für Festmärsche und Ort von Gedenkstunden.

Mit großem Aufwand richtete der Kriegerverein am 13.07.1902 das Lippische Krieger- Bundesfest mit dem 26. Abgeordnetentag aus. Festplatz waren Niewegs Hof (Heute Arelmann) mit Scheune, Baum-garten, Platz unter den Eichen. An den Ortseingängen wurden vier Ehrenbögen errichtet. Außerdem fand ein Festkonzert auf „Cöhrings Flecken (heute Bereich Twete) statt.

Ein anderer Höhepunkt des Vereinslebens war die Verleihung eines Fahnenbandes in den Reichsfar-ben und eines Fahnennagels mit Reichsadler an 22 lippische Kriegervereine, darunter auch dem Kriegerverein Lieme, durch Kaiser Wilhelm II. am 15.01.1907.

Der 1. Weltkrieg führte dann zu einem Wendepunkt in der Geschichte des Kriegervereins Lieme. Von Kriegsbeginn an führte der Verein Paketaktionen für die im Felde stehenden Vereinsmitglieder durch und unterstütze die Kriegshinterbliebenen und –opfer nach besten Kräften aus der Vereinskasse. 1915 folgte man der Empfehlung des Lippischen Krieger- Bundes und stellte eine Jugendwehr zur vormilitärischen Ausbildung der männlichen Dorfjugend auf.

Die Zahl von 90 gefallenen Liemer Soldaten, darunter auch der 1. Vorsitzende Theodor Winter, der „Steckrübenwinter von 1917“ und der Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreiches im Jahre 1918 ließen den unkritischen Hurra- Patriotismus der Vorkriegszeit in einem anderen Licht erscheinen. Der Friedensvertrag von Versailles und die Gründung der Weimarer Republik im Jahre 1919 machten für jedermann deutlich, dass ein neuer Zeitabschnitt begonnen hatte.

Der Kriegerverein Lieme stellte sich die Frage nach seiner Existenzberechtigung. In der Generalver-sammlung vom 09.02.1919 fand man dann eine Kompromisslösung: Der Verein sollte weiterbestehen, ein Wiedereintritt in den Lippischen und den Deutschen Kriegerverbund aber nicht erfolgen. 1922 zeigte sich dann aber schon, dass diese Lösung ein „fauler“ Kompromiss gewesen war. Denn damals wurde diese Entscheidung dadurch korrigiert, dass das Vereinsmitglied Wilhelm Obermeier aus eige-nen Mitteln den Bundesbeitrag von 1919 – 1922 nachzahlte und damit die frühere Mitgliedschaft in den Verbänden wiederauflebte.

Einen wesentlichen Beitrag leistete der Kriegerverein Lieme 1921 bei der Planung und der Finanzie-rung des Gefallenen- Ehrenmales auf dem Friedhof zu Lieme, für das der Verein einen Beitrag von 500,00 Mark zur Verfügung stellte. Ein Problem war für die Liemer Vereine jedoch die Unterhaltung der neuen Anlage. Erst 1928 wurde es dadurch gelöst, dass sich die Kirchengemeinde Lieme bereit erklärte, die laufenden Unterhaltungskosten zu übernehmen.

Die Inflation des Jahres 1923 zwang den Kriegerverein, seine satzungsmäßigen Verpflichtungen durch Naturalspenden zu erfüllen, was dieser Jahresabschluss 1923 zeigt:

Einnahme 1923: 26 809 006 163 348,97 Mark


Ausgabe 1923: 26 809 340 130 095,50 Mark


Fehlbetrag 1923: 333 966 746,53 Mark

Der Fehlbetrag wurde durch freiwillige Spenden von 1.030 Pfund Korn ausgeglichen.

Am 2. Pfingsttag 1924 feierte der Kriegerverein Lieme sein 50-jähriges Bestehen in großem Rahmen auf dem Grundstück und in der Scheune des Hofes Nieweg. Neben dem Gemeindevorstand und dem Gemeindeausschuss der Dorfgemeinde Lieme nahmen Vertreter des Bundesvorstandes des Lippi-schen Krieger- Bundes, 14 Gastvereine, die Reichswehrkapelle Detmold und die Kapelle Baule aus Lemgo daran teil.

Erwähnenswert aus er Zeit der Weimarer Republik ist ebenfalls, dass die Generalversammlung des Vereins am 21.01.1925 Generalleutnant a. D. Caesar, den Präsidenten des Lippischen Krieger- Bun-des, zu seinem Ehrenmitglied ernannte.

Die Gleichschaltung des Kriegervereins durch die nationalsozialistische Lippische Landesregierung im Jahre 1933 hatte keinerlei personelle Konsequenzen, da der seit 1932 amtierende Vereinsvorstand,

A. Senke 1. Vorsitzender,


F. Brand 2. Vorsitzender,


A. Dröge Kassierer,


E. Heitkamp Schriftführer,

der NSDAP als tragbar erschien und deshalb vom NSDAP- Ortsgruppenleiter bestätigt wurde. Organi-satorisch hatte sie die Umstellung der Vereinsführung auf das Führerprinzip und die Zwangsmitglied-schaft im Deutschen Reichskriegerbund zur Folge.

Das bittere Ende des 2. Weltkrieges führten auch in Lieme das Ende des Traditionsvereins herbei. Zunächst von den Besatzungsmächten verboten, dann zu Beginn der 50er Jahre als Kriegerkamerad-schaft noch einmal unter Vorsitz von H. Steinmeyer neu gegründet, führte er nur noch ein Schatten-dasein, bis er sich schließlich selbst auflöste.

Der Ausdruck für die mangelnde Akzeptanz der wiedergegründeten Kriegerkameradschaft bei der Liemer Dorfbevölkerung war der in jenen Jahren gescheiterte Versuch, den in der Bundesrepublik wiedereingeführten Volkstrauertag auch in Lieme zu installieren. Die Zeit der Soldaten- und Vetera-nenvereine war in Lieme offensichtlich vorbei.

Abschließend eine Aufstellung der Präsidenten und Vorsitzenden des Vereins, soweit sie bekannt sind:

? – 1890 W. Obermeier


1891 – 1892 A. Hofemann


1892 – 1893 W. Brink


1893 – 1894 G. Brand


1894 – 1895 F. Brink


1896 – 1901 S. Kirchhof


1902 F. Kehde


1903 – 1908 S. Kirchhof


1909 – 1911 F. Steinmeyer


1912 – 1914 T. Winter


1919 – 1921 S. Kirchhof


1922 – 1931 A. Wehmeier


1932 – 1935 A. Senke


1936 – 1939 F. Brand

ca. 1954 – 1965 H. Steinmeyer

(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)