Schienen sie lange Zeit fast ganz vergessen, so rücken die sogenannten Naturheilverfahren in der heutigen Zeit wieder verstärkt in den Blickpunkt der Medizin.
Die Vertreter der Naturheilkunde wollen mit naturnahen Verfahren wie Klima- und Naturreizen, Wasserbehandlung, Aufgüssen, Pflanzentees und Ernährungsumstellungen den menschlichen Organismus unterstützen oder durch die Verabreichung von Arzneimitteln in homöopathischen Dosen eine Reizbehandlung einleiten, die die Abwehrkräfte des Kranken stärkt, anstatt sofort zu den klassischen Behandlungsmethoden der Schulmedizin zurückzugreifen.
In der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg war auch in Lieme die Behandlung leichter Erkrankungen mit überlieferten Hausmitteln oder biochemischen Präparaten weit verbreitet. Es existierte sogar eine Verkaufsstelle des Biochemischen Vereins Lieme, in dem solche Heilmittel abgegeben wurden.
Der Biochemische Verein Lieme wurde am 07.03.1908 in der Gaststätte Kampmann (heute Rogge) gegründet. Dem Gründungsvorstand gehörten an:
Heinrich Bergmann, Maurer 1. Vorsitzender
Friedrich Stork, Kaufmann 2. Vorsitzender
Fritz Hose, Landwirt Schriftführer
Fritz Deppe, Schumacher Kassenführer
Die Statuten des Biochemischen Vereins Lieme sind wohl leider nicht mehr vorhanden, sie dürften aber mit Sicherheit die beiden folgenden Bestimmungen enthalten haben, welche auch in den Statuten anderer lippischer Biochemischer Vereineaufgeführt waren:
- Der Verein bezweckt die Förderung und Verbreitung des von Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüssler- Oldenburg (1821 – 1898) begründeten Heilsystems.
- Jedes Mitglied ist verpflichtet, über den Verein ein Exemplar des Buches >>Die abgekürzte Therapie>> von Dr. med Schüssler zu erwerben.
Nach Dr. Schüssler besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Verlust anorganischer Salze und der durch Krankheit veränderten Reaktion der Körperzellen. Der gestörte Salzhaushalt der Körperzellen senke die Widerstandskraft des Körpers und ermögliche dadurch das Auftreten von Krankheiten. Durch Zuführung der richtige Salze in kleinsten Mengen und starker Verdünnung können die betreffenden Krankheiten geheilt und die Widerstandskräfte des Körpers gestärkt werden.
Aufgrund dieser Annahmen schuf Dr. Schüssler ein Heilverfahren mit zwölf anorganischen Stoffen, mit denen die >>krankhafte>> Veränderung des Salzgehaltes der Körperzellen beseitigt und die Krankheit bekämpft werden sollte. Dieses Heilverfahren wurde unter dem Namen >>Biochemie>> sehr populär.
Um die Jahrhundertwende entstanden u. a. in Lippe zahlreiche Biochemische Vereine, die sich die Verbreitung und Durchsetzung des Dr. Schüsslerschen Heilverfahrens zum Ziel setzten.
Die erste Verkaufsstelle für biochemische Arzneimittel wurde in Lieme bei dem Schuhmacher Fritz Deppe sen. eingerichtet. Da es keinen ortsansässigen Arzt oder eine Apotheke gab, wurden diese Heilmittel bei leichten Erkrankungen häufig angewendet.
Nach dem 1. Weltkrieg übernahmen das Kolonialwarengeschäft Karl Geise und der Filiale der Konsumgenossenschaft in Lieme (damals gegenüber der Einmündung Trifte) den Verkauf von rezeptfreien Arzneimitteln, darunter auch die biochemischen Präparate Nr. 1 – 10.
Der Biochemische Verein verlor jedoch zusehends an Bedeutung und über seine weitere Entwicklung ist derzeit nichts bekannt. Fest steht nur, dass er nach dem 2. Weltkrieg nicht wieder ins Leben gerufen wurde.
(Quelle: F. Starke – „Lieme – Eine Dorfgeschichte in Einzeldarstellungen“)